30 Jahre

(HIER geht’s zum Originalartikel im Budo International Magazin)

Egal wie sehr es nach “one-man-show” aussieht, letztendlich ist jede Erfolgsgeschichte eine Teamarbeit. Mit anderen Worten, hinter jeder erfolgreichen Persönlichkeit steckt eine Gruppe aus Helfern, Unterstützern und Freunden, die am selben Strang gezogen haben oder es immer noch tun. In meinem Fall, denke ich dabei, natürlich wie so oft an meine Schüler und Instruktoren. Ohne sie wäre das grosse Projekt KUNG FU SCHULE SEWER nie so weit gekommen. Auf meinem Weg bin ich aber natürlich auch zahlreichen Personen aus anderen Berufszweigen begegnet, mit denen ich einmal mehr, einmal weniger zusammengearbeitet habe. Diese Geschichte handelt von einem von Ihnen. Einem Freund, mit dem ich seit über 30 Jahren zusammenarbeite. 

Vor Jahren, als das Internet noch nicht ausgereift oder überhaupt zugänglich war, waren das persönliche Umfeld und die Kampfkunst-Hefte am Kiosk, die wichtigsten Quellen für Informationen aus der Kampfkunstszene. Gab es ein Seminar mit einem Grossmeister in Deutschland oder ein Turnier in Italien, erfuhr man das im Dojo oder im Magazin vom Kiosk. Alles lief über die Mundpropaganda oder gedrucktes Papier. Man kann sich also vorstellen, wie wichtig diese monatlichen “Info-Bibeln” für uns junge Kämpfer damals waren. Natürlich wollte auch ich als aufstrebender junger Sifu mit meinem Namen und meiner Schule in diese Magazine kommen. Also tat ich, was ein guter Kung Fu Schüler eben tut: Ich fragte bei den Verlagen nach. Wie bei vielen anderen Dingen, die ich im und mit Kung Fu vorhatte, sollte es lange dauern, bis ich überhaupt erste Veröffentlichungen erreichte. Rückblickend kann ich es keiner Redaktion verübeln, dass man nicht gleich den ersten Artikel des jungen Sewers drucken wollte. Damals waren Namen wie Bruce Lee, Van Damme und Chuck Norris quasi omnipräsent auf den Covers der grossen Zeitschriften. Mein Lehrer, Kung Fu Legende Dr. Chiu Chi Ling, war damals auch schon auf den Titelseiten zu sehen . Nicht selten waren es meine Anfragen, die zu seinen Ver- öffentlichungen führten. Die Tatsache, dass ich als einer seiner vielen tausend Schüler ebenfalls in die Zeitschrift kommen wollte, interessierte damals niemanden. Ich bat ihn um Rat und bekam diesen in seinem gebrochenen Englisch: “Sag einfach, dass Du Chiu Chi Lings Schüler bist und alle werden auf Dich zukommen”. Dieser Rat war so einfach wie er wahr war – in Hong Kong. Aber hier im Westen kannte man ihn nicht wirklich, geschweige denn irgend- einen seiner 30’000 Schüler. Aber ich liess mich nicht unterkriegen. “Steter Tropfen höhlt den Stein” sagte ich mir, und machte einfach weiter. So kamen mit der Zeit und dem Wachstum meiner Schule irgendwann sogar Antworten, dann erste Zusagen – was den jungen Martin natürlich freute.

In dieser Zeit lernte ich Alfredo Tucci kennen, damals schon Verleger des heute bekannten “Budo International”. Zugegeben: Er war wie bereits angedeutet bei weitem nicht der einzige, den ich angeschrieben hatte, um eine Zusammenarbeit und einen guten Artikel zu verwirklichen. Doch er ist der einzige, mit dem ich so lange zusammen arbeiten sollte und das bis heute. Ein erstes Kennenlernen erfolgte offen und freundlich, wenn auch natürlicherweise vorsichtig. Wie zwei Kämpfer, die die wahren Absichten und Charakterzüge von dem Anderen abschätzen, näherten wir uns und es kam zu einem ersten Treffen. Nach so vielen Jahren könnte ich beim besten Willen nicht mehr sagen, worum es bei diesem ersten Treffen ging, oder wo wir uns getroffen haben. Aber was ich noch genau weiss, ist, dass ich sofort gemerkt hatte, einen “würdigen Sparring- Partner in den Medien” gefunden zu haben. Ich empfand Alfredo schon immer als sehr ruhige Person, mit klarem Blick und sehr tiefer, beruhigender Stimme, der klar sagen konnte, was seine Bedingungen waren. Gleichzeitig war aber immer auch Platz für Scherze und eine gewisse Spitzbübigkeit, was ich bis heute sehr an ihm schätze. In den Jahren darauf hatten wir immer wieder Kontakt, wobei es natürlich vor allem darum ging, tolle Artikel in seine Zeitschrift zu bringen. Während die Jahre vergingen, lernten wir nebenbei immer mehr über und voneinander und teilten uns immer öfter auch Geschichten aus unserem Privatleben mit. Wir versuchten dabei immer, uns gegenseitig auch in dieser Hinsicht zu helfen und wenn es einmal nicht nach Plan lief, Mut zu geben. Rückblickend wurde diese Brücke vor allem von Alfredos Seite aus errichtet. Obwohl ich mich für offen gegenüber anderen Menschen und neuen Freund- schaften halte, war es damals schon so gut wie unmöglich, Alfredo in Sachen Offenheit und Herzlichkeit zu übertreffen. Wann immer ich, sei es mit Instruktoren oder auch alleine, zu ihm nach Spanien reiste, oder er zu uns in die Schweiz kam, nutzten wir natürlich die Gelegenheit, um Fotos und Artikel zu machen. Gleichzeitig kam aber auch immer ein Gefühl von Familie auf, sobald wir im selben Raum waren. Alfredo erklärte und zeigte mir viel über das Business der Kampfkunst Magazine und durch ihn erhielt ich Einblicke in diese ganz eigene Welt von Sehen und Gesehen werden. Besonders fasziniert hat mich daran, wie Alfredo mit so vielen Meistern, Grossmeistern und Ikonen der Kampfkunst zu tun haben konnte, ohne der Zwietracht zum Opfer zu fallen, welche zwischen manchen herrschte. Mit seinem Lebenswerk schaffte er es auf seine Art, selbst vermeintliche Feinde unter einem Dach zu vereinen. Ebenso fasziniert mich bis heute seine ganz eigene Kunst, die er bis heute praktiziert. Diese ist sehr spirituell. Es ist auch sein spiritueller Weg, der mich als Kampf- kunst Grossmeister ebenfalls interessiert und den ich mit meinem eigenen System immer wieder beschreite, ganz nach Alfredos geschätztem Motto “walk your talk”.

In einer derart schnellen Welt wie heute, in der Partnerschaften so schnell entstehen wie sie verschwinden können, sind Beziehungen wie Alfredo und ich sie haben, wertvoller denn je. Dass er sich eines Tages weg von Printmedien hin zu digitalen Ausgaben seines Magazins bewegen würde, hat keiner von uns je erahnen können. Aber ähnlich wie mit einem leiblichen Bruder, mache ich mir keine Sorgen, dass wir noch viele viele weitere Jahre in Freundschaft verbringen und weiterhin tolle Projekte verwirklichen werden. Egal was passiert: Meine Unterstützung hat Alfredo und ich weiss, ich kann auch auf seine zählen.