Presseartikel: Peter Gasser im «Der Landbote»
Presseartikel im «Der Landbote» vom 31.12.18: Peter Gasser leitet die eigene Kung-Fu-Schule in Winterthur und gilt als Meister seines Fachs. Seinen früheren Job als Softwareentwickler hat er aufgegeben. Dass er wegen der Kampfkunst ganz auf Weihnachtsguetsli verzichten musste, stört ihn gar nicht.
Bild: Peter Gasser hat sich seinen Traum erfüllt: Er ist Kung-Fu-Lehrer und lebt von der Kampfkunst. Foto: Madeleine Schoder.
Seinen gestählten Körper kann man unter den gepolsterten Winterkleidern nur erahnen. Für die Fotografin zieht er dann die Jacke aus und macht an einem Kinderturngerät scheinbar ohne Anstrengung einige Klimmzüge, lächelt dazu in die Kamera und beantwortet gleich auch noch die ersten Fragen zur Person: Drei
bis vier Stunden täglich trainiere er, meistens am Morgen, bevor die Schüler kommen. Mit 21 hat er mit Kung-Fu begonnen, damals studierte er an der ZHAW Informatik. Heute ist er 36, und seit zwei Jahren ist Kung-Fu sein Beruf. «Können wir noch ein paar andere Bilder haben?», fragt die Fotografin. Er macht einige Ein-Arm-Liegestütze, als wärs ein Kinderspiel.
Wie wird aus einem Softwareentwickler mit gutem Lohn und schmalen Schultern ein Kung-Fu-Profi mit Muskeln aus Stahl und eigener Schule? Kurz gesagt brauchts ein Jugendidol, Wille und hartes Training sowie einen Meister, der sagt, wos langgeht. Im Fall von Peter Gasser ist der Meister gar ein Grossmeister: Martin Sewer. «Er hat mir den Weg gezeigt, und er weiss so viel mit 40 Jahren Erfahrung», sagt Gasser mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Verehrung. Vor einem Monat nun hat Sewer seinen Meisterschüler Gasser seinerseits zum Sifu ernannt, zum Meister oder wörtlich: zum wissenden Vater. Gasser ist stolz auf den Titel und darauf, dass er diesen in harter Arbeit, «mit viel Schweiss, Muskelkater und blauen Flecken», wie er sagt, erarbeitet hat. Er vergleicht diesen Weg mit dem einer akademischen Karriere zum Professor: «Fünf Jahre Masterstudium, fünf Jahre Doktorarbeit, fünf Jahre Forschung.» Ob das vergleichbar ist, bleibe
dahingestellt. Tatsache ist: Gasser hat sich seit 15 Jahren dem Kung-Fu verschrieben. Genauer: demShaolin-Hung-Gar-Kung-Fu. Denn Kung-Fu ist nicht gleich Kung-Fu, das lernt der Laie im Gespräch. Es gebe über 500 anerkannte Stilrichtungen, jede mit eigenen Abläufen, eigenen Meistern, eigener Geschichte. Peter Gasser pflegt jenes Kung-Fu, das auf der jahrhundertealten Überlieferung des südlichen Shaolin-Tempels basiere. Diesen Bezug zum südlichen Kloster habe auch Jackie Chan: «Er hat vom selben Meister gelernt wie Martin Sewer.»
Jackie Chan, dieser Name und diese Figur faszinierte Gasser von Kindsbeinen an. Dank dem Jugendidol wurde aus dem studierten Informatikingenieur ein Kung-Fu-Künstler und -Kämpfer. «Davon hatte ich schon als kleiner Bub geträumt, als ich Jackie Chan in seinen Filmen sah.» Und aus dem Kämpfer Gasser, der in vielen Vollkontaktturnieren auf der Matte stand, wurde letztlich der Lehrer mit der eigenen Kung-Fu-Schule beim Haldengut.
Franchisegeber ist sein Meister Martin Sewer, der innert 25 Jahren ein ganzes Netz solcher Schulen in der Schweiz aufgebaut hat. Verantwortlich für den Winterthurer Ableger ist Peter Gasser. Er muss schauen, dass es rentiert, dass genügend Kinder, Jugendliche und Erwachsene kommen, damit er die Miete, die Franchisegebühren und sich selber einen Lohn zahlen kann. Gut hundert Schüler und Schülerinnen trainieren bei ihm. «Es läuft gut», sagt er, «ich kann gut davon leben. Und vor allem: Kung-Fu-Lehrer ist für mich der beste denkbare Beruf. Ich brenne richtig für meine Leidenschaft.»
Fast alles in Gassers Leben dreht sich heute um die Kampfkunst. Die meisten Freunde kommen aus der Szene, und die Ernährung hat er dem Kung-Fu angepasst: absolut keine Kohlenhydrate und keinen Zucker. «Wer solchen Mist in sich hineinstopft, darf keine Höchstleistungen erwarten», sagt er. Und daheim bei der Mutter? Keine Weihnachtsguetsli? Keine Ausnahme? «Nein, nicht ein Guetsli», sagt er pickelhart, «meine Mutter weiss und akzeptiert das.» Askese bis zur Freudlosigkeit? Oder anders gefragt: Woran hat er Freude abseits vom Kung-Fu? Gasser denkt kurz nach, dann sagt er: «Ich habe gerne schnelle Autos, ich konnte mir einen schönen Mercedes kaufen.» Ins Kino gehe er ebenfalls gerne: Actionfilme schaut er sich am liebsten an. Auch auswärts gut essen oder
gemütlich brunchen schätze er. Brunchen ohne Zopf und Quittengelee? «Für mich gibts halt Rührei und Speck.» – Von Martin Gmür